Künstlergespräch zwischen Rüdiger Heise und Nina Kalt (Teil 3)

Beim Bildaufbau sprachst Du vorhin von den Schichten, die übereinandergelegt werden. Das wäre gewissermaßen ein Denken in der Vertikalen oder, bezieht man es auch auf den Faktor Zeit, in der Diachronität. Wenn wir dagegen von den Bildteilen und ihrem Verhältnis zum ganzen Bild sprechen, so denken wir in der Fläche, im Horizontalen, dem in der Kategorie der Zeit die Synchronität entspräche. Da stellt sich dann die Frage, ob und wie beide Aspekte ineinander übergehen? Baust Du Deine Bilder zunächst vertikal auf? Und wann kommt die horizontale Dimension ins Spiel? Welche Rolle spielt bei Dir das Verhältnis von Horizontalität und Vertikalität?

Nina Kalt: Die Frage nach Horizontalität und Vertikalität kann man zunächst auch ganz einfach auf den vorhandenen Raum oder Platz reduzieren. Bei den von uns dreien verwendeten, recht großflächigen Formaten und den zur Verfügung stehenden Atelierräumen müssen wir die Bilder auf dem Boden liegend bearbeiten. Die Ergebnisse beurteilen können wir, speziell ich selbst, aber nur, wenn die Bilder in der Vertikale hängen. Deshalb ist die Arbeit am liegenden Bild so anspruchsvoll und voller Spannung. Wenn das Bild liegt, ist es ein anderes Bild, als wenn es in der Senkrechten im Licht hängt. Oft kann ich auch erst, wenn ich das Bild hängen sehe, beurteilen, wie es weitergehen kann oder sollte. Während meines Arbeitsprozesses gibt es oft einen mehrfachen Wechsel des Bildes zwischen Liegen und Hängen. Manchmal passiert es aber auch, dass ein Bild ganz spontan entsteht. Dann kommt es zu einem ganz freien und im Grunde genommen unbewussten dynamischen Prozess. Da ist dann auch gar keine Zeit für das Arbeiten in Schichten. Ein solches Bild passiert einfach.

Der Literaturwissenschaftler und Kritiker Karl Heinz Bohrer hat einmal ein ganzes Buch geschrieben über die Plötzlichkeit, die Du hier auch als Kategorie des Schaffensprozesses ins Spiel bringst.

Nina Kalt: Also, der Schaffensprozess ist für mich eine Kombination aus formaler Anforderung, die man auch berücksichtigen muss, kurz das Handwerk, und dem Auftauchen des Plötzlichen und Unvorhersehbaren. Das ist für mich das Wichtigste und Spannendste an dem Prozess. Es müssen nicht alle Bilder danach aussehen, aber das ist im Grunde das, was mich an der Malerei fasziniert. Wenn das Handwerk sich in den Vordergrund drängt oder zur Routine wird, dann verliert das Malen für mich den Reiz. Warum sollte ich mir so etwas antun? So ein Malprozess, der von Plötzlichkeit und Unvorhersehbarkeit befeuert ist, braucht wahnsinnig viel Energie und ich bin danach manchmal fix und fertig. Aber eben auch glücklich, wenn ich das Bild dann an der Wand hängen sehe und in der Sekunde, wo es hängt, sehe– Donnerwetter – ja, das ist es.


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